Vermögensschadenhaftpflicht in der Praxis

Bei der Suche nach einer Berufshaftplicht für Energieberater oder Sachverständige stößt man neben der Berufshaftpflicht für Architekten und Ingenieure fast zwangsläufig auch auf Angebote zur Vermögensschadenhaftpflicht. Eine genauere Betrachtung zeigt, dass letztere Versicherungsprodukte keinen umfassenden, sondern lediglich partiellen Versicherungsschutz bieten. VH-basierte Versicherungsprodukte sind, so das Ergebnis eines ausführlichen Praxistests, eher eine Ventillösung, die für Versicherungsnehmer der genannten Berufsgruppen überaus kritisch einzuschätzen ist.

 

 

Überblick

 

TGA-Fachplaner 05-2011

Auszüge erschienen im TGA-Fachplaner- Magazin 05-2011

 

 Aktuell liefert die Suchanfrage „Vermögensschadenhaftpflicht Gutachter“ bei Google ca. 39.000 Treffer, der String „Vermögensschadenshaftpflicht Sachverständige“ gibt 17.000 und „Vermögensschadenhaftpflicht Energieberater“ immerhin noch 4.300 Ergebnisse zurück. Insbesondere die Tatsache, dass einige der so aufzufindenden Anbieter sowohl eine Berufshaftpflicht für Sachverständige auf der Grundlage der „Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibung des Gesamtverbandes Versicherungswirtschaft über Berufshaftpflicht für Architekten & Ingenieure“ (BBRarch) als auch eine Vermögensschadenhaftpflicht (VH) für Gutachter, Sachverständige oder auch Energieberater anbieten, macht eine genauere Analyse der VH-basierten Versicherungsformen notwendig. Sie ist insbesondere deshalb erforderlich, weil die VH neben der Auflistung von gesellschaftsspezifischen Leistungsverbesserungen durchweg preiswerter als die Berufshaftpflicht für Sachverständige und beratende Ingenieure angeboten wird und damit umso attraktiver erscheint.

Neben den direkt von Versicherungsgesellschaften angebotenen Versicherungslösungen wurden auch Deckungskonzepte von Maklern sowie Rahmentarife von Verbänden und Organisation näher betrachtet. Letztere erwecken den Eindruck, dass man sich viel Mühe bei der Recherche und Entwicklung eines Versicherungsproduktes für den Sachverständigen des jeweiligen Fachbereiches gemacht hat. Auffallend ist nämlich, dass bei der Präsentation in den Vordergrund gestellt wird, dass ein Produkt entwickelt worden sei, welches sich durch Deckungserweiterungen und verbesserten Bedingungen auszeichne.

Fehleinschätzung der Schadensformen

Bei einer VH geht der Versicherer davon aus, dass der Sachverständige im technischen Bereich vorwiegend einen Vermögensschaden auslöst, wenn er in Haftung gerät. Damit aber Personen- und Sachschäden in der Versicherung abgedeckt sind, wird der VH eine Betriebshaftpflicht als Annex angefügt – und fertig ist das passende Produkt. Diese Konstruktion ist jedoch der neuralgische Punkt: Sach- und Personenschäden (z. B. durch Unterlassung, Beratungsfehler, mangelhafte Hinweise), die in der beruflichen Tätigkeit ihre Ursache haben, sind nicht versichert. Gleiches gilt für die Folgeschäden aus diesen Schäden.

Beim Verkauf solcher Produkte wird regelmäßig auf die typischen Schäden verwiesen, die ein Bausachverständiger oder Energieberater verursacht. So wird angenommen, dass es zu keiner Bewilligung von KfW-Mitteln kommt, weil der Energiewert nicht erreicht wird, oder ein Dokument, dass zur Fördermittelbewilligung nötig ist, zu spät eingereicht wird, bzw. eine fehlerhafte Beratung/Empfehlung zu falsch dimensionierten Gebäudebestandteilen führt (d.h., dass sich z.B. ein Fehler am Bauwerk manifestiert, der i.d.R. nicht zurückgebaut werden kann).

Diese Überlegungen beruhen auf einem fatalen Fehler. Tatsache ist, dass derartige Fälle zwar auftreten, in der Berufspraxis aber selten sind. Zwei der drei vorgenannten Schäden führen regelmäßig bei der VH (und auch bei VH-Verträgen mit Personen- und Sachschadendeckung) zu keiner Ersatzleistung, weil es sich üblicherweise um Mangelfolge- bzw. Mangelbegleitschäden handelt. Sie sind als sog. unechte Vermögensschäden zu bezeichnen, denen ein Sachschaden vorausgegangen ist. Damit zählen sie nicht zu den versicherten Vermögensschäden. Darüber hinaus kommen Eigenschaftszusicherungen (z. B. in Form des Vertragsziels, bestimmte Energiewerte zu erreichen) Erfüllungssurrogaten gleich, die allesamt nicht versichert werden können.

Hier sind die Versicherungsanbieter gefordert. Es bedarf bei der Beschreibung solcher Versicherungsprodukte einem gerüttelten Maß an Sorgfalt. Keinesfalls sollte beim potentiellen Antragsteller/Versicherungsnehmer der Eindruck entstehen dürfen, fehlerhaft dimensionierte Energiesparmaßnahmen infolge seiner Empfehlung wären grundsätzlich Leistungsgegenstand dieser Versicherung.

Es wird jedoch anhand von Beispielauflistungen oftmals suggeriert, dass Versicherungsschutz besteht. Dabei wird unterschlagen, dass eine erschließende Abhandlung der Thematiken „fehlerhafte Dimensionierung“, „Mengen- und Massenberechnung“ sowie „unwirtschaftliches Bauen“ derart komplex ist, dass die Frage, ob sie auch nur annähernd Leistungsgegenstand sind, nicht auf eine einfache Ja/Nein-Aussage reduziert werden kann. An dieser Stelle soll nur darauf verwiesen werden, dass es sich bei einem wesentlichen Teil der gestellten Ansprüche, denen eine fehlerhafte Dimensionierung zugrunde liegt, um Sowiesokosten handelt, die nicht zu einer Erstattung führen, und dass der Schaden am Objekt (mit Ausnahme einer der untersuchten VH-Versicherungen) grundsätzlich nicht versichert ist. 

Offenkundig sollte somit sein, dass das Thema „Wahl einer Berufshaftpflicht“ seitens des potenziellen Versicherungsnehmers nicht einfach derart bewältigt werden, dass er sich sagt: „Ich brauche eine Deckungssumme für Personen-, Sach- und Vermögensschäden und nehme daher das Produkt mit den längsten Liste an Produktverbesserungen oder das augenscheinlich günstigste.“

In der folgenden Marktuntersuchung sollen die Bedingungsverbesserungen erst einmal zurückgestellt werden. Vielmehr gilt es primär zu überprüfen, ob der Schutz bei den am häufigsten auftretenden Schadensfällen überhaupt hinreichend Deckung bietet.

Schadendeckung ist lückenhaft

Die Schadensanalyse und Auswertung von Schadensquoten bei Berufshaftpflichtversicherern zeigt, dass die Haftung des Sachverständigen zu wesentlich weniger Ansprüchen und entsprechend geringen Schadensquoten führt, als es bei übrigen Bauingenieuren und insbesondere den Architekten der Fall ist. Dies ist ggf. ein Grund, warum die Institutionen, die VH-basierte Versicherungsprodukte anbieten, noch nicht gemerkt haben, ob ihre Versicherungsprodukte in Bezug auf die hier relevanten Berufsgruppen wirklich funktionieren.

Zwar geht von fehlerhaften Gutachten auch eine Gefahr aus, jedoch ist insbesondere in den letzten Jahren ein deutlicher Anstieg von Regressnahmen größtenteils im Zusammenwirken mit gesamtschuldnerischen Verhältnissen zu verzeichnen. Ihnen gemein ist jedoch, dass es sich vorrangig um Spätschäden handelt, deren ursächlicher Verstoß mehr als ein Jahr zurückliegt. Wesentlich ist daran, dass dem Ganzen häufig ein Sachschaden zugrunde liegt, der auch zu einem (unechten) Vermögensschaden führen kann.

Dies sind die wesentlichen, stochastischen Stellgrößen, die bei der Tarifkalkulation und Ausgestaltung der Versicherungsbedingungen seitens der Versicherungsunternehmen ausschlaggebend sind. Vor dem Hintergrund der skizzierten Problematik stellt sich daher die Frage, genauer zu ergründen, wie der Markt für die aktuell angebotenen Produktformen entstanden ist und warum derart widersprüchliche Aussagen zu den scheinbar abgedeckten Leistungen kursieren.

Im Rahmen eines telefonisch durchgeführten Tests wurde bei Organisationen (Verbände, Fortbildungsgesellschaften), Versicherungsunternehmen aber auch bei Vermittlern bezüglich der Problematik nachgefragt. Gegenstand war die Berufshaftpflicht/VH für Energieberater, Immobilien-Sachverständige, Immobilienbewerter und Bausachverständige hinsichtlich folgender Produktaussagen: „Ihr Tarif weist Deckungssummen für Vermögensschäden i. H. v. 100.000 € bis 500.000 €, für Sachschäden 3.000.000 € und für Personenschäden 3.000.000 € aus. Auf welchen Leistungsgegenstand beziehen sich diese Summen, und sind Schäden am Objekt mitversichert?“

Auf der Stufe des Erstkontakts waren die Aussagen der Versicherer zumeist nicht hinreichend präzise genug, was der Tatsache geschuldet ist, dass nicht in jeder Abteilung unmittelbare Sachkenntnis vorausgesetzt werden kann. Die Antworten der Versicherer erfolgten jedoch ab dem Zeitpunkt, ab dem man mit den zuständigen Underwritern oder Produktmanagern verbunden war, in allen Fällen konkret, schnell und kompetent. Sie lieferten allesamt das zu erwartende Ergebnis: Die Sachschadendeckung bezieht sich nicht auf Schäden am Objekt oder Sachschäden, die durch die Beratung oder Empfehlung verursacht werden. Die Personen- und Sachschäden sind Gegenstand der Betriebshaftpflicht und nicht des Berufshaftpflichtteils.

Zwei nennenswerte Ausnahmen gibt es. Ein Versicherer schließt die Schäden am Objekt mit einem Sublimit gegen Mehrbeitrag ein. Ein weiterer Versicherer bietet den optionalen Einschluss von Empfehlungen im Rahmen von Gutachten oder Energieberatungen. Im letztgenannten Fall wäre mit etwas Phantasie ein theoretischer Schadensfall konstruierbar, der durch den Einschluss auch dann gedeckt wäre, wenn sich der Mangel am Objekt bereits manifestiert hat. Der für diese Versicherung zuständige Underwriter wies jedoch ausdrücklich darauf hin, dass dies keine umfängliche Sachschadensdeckung im Rahmen der Berufshaftpflicht darstelle.

Sachverständigen-Organisationen versprechen zu viel

Dem hier präsentierten Ergebnis steht die Darstellung auf den Webseiten oder Broschüren der Sachverständigen-Organisationen gegenüber. Dort wird z. B. gesagt, man „sammelt seit Jahren die in der Praxis aufgetretenen Haftungsansprüche gegen Sachverständige und wertet diese aus“ und man suggeriert: „Vor diesem Hintergrund wurden die Versicherungsbedingungen zahlreicher Gesellschaften analysiert, die Versicherungen für Bewertungssachverständige anbieten.“

Auf Nachfrage zeigte sich ein anderes Bild. Es konnte an keiner Stelle geklärt werden, ob sich tatsächlich ein Team von erfahrenen Anwälten der Thematik gewidmet hatte. Spätestens bei der dritten, tiefergehenden Frage wurde grundsätzlich auf den zuständigen Versicherungsvermittler verwiesen. Folglich muss konstatiert werden, dass die Repräsentanten der Organisationen ausnahmslos keine Ahnung davon hatten, geschweige denn nachweisen konnten, ob die beworbene Sachschadendeckung die Schäden am Objekt einschließt oder nicht.

Geringe Kenntnis auch bei Maklern

Die Anfragen bei den entsprechenden Versicherungsmaklern bzw. -vermittlern bescheinigte diesen ebenfalls mangelnde Informationskenntnis. Ein Fall darf als Synonym für den Ablauf der Recherche besonders herausgestellt werden. Kurz vor Schluss des hier vorliegenden Praxisberichts wurde von unserer Seite ein Makler kontaktiert, der den Rahmenvertrag eines größeren Energieberaternetzwerkes verwaltet.

Wir wiesen darauf hin, das wir im Rahmen einer Recherche dieses Artikels zum Thema Berufshaftpflicht, speziell im Segment der Vermögensschadenshaftpflicht für Sachverständige und Energieberater, zu ihm Kontakt suchen. Ebenso explizit schilderten wir das Problem, dass die meisten Versicherer den Schaden am Objekt nicht mitversichern. Wir erklärten ihm, dass uns aufgefallen war, dass das auf seiner Webseite beworbene Konzept in dieser Hinsicht allerdings aus dem Rahmen zu fallen schien, d.h. den Eindruck erweckte, solche Schäden abzudecken, und merkten zugleich an, dass wir bei der Durchsicht der runtergeladenen Bedingungen jedoch nicht die BBR (Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen) finden konnten, auf die die übrigen Bedingungsmerkmale verwiesen. Wir betonten, dass wir mit der Nachfrage sichergehen wollten, dass wir keine Fehler machen und deshalb geklärt haben möchten, ob der Schaden am Objekt mitversichert ist.

Am Telefon wurde beteuert, dass eine umfängliche Sachschadendeckung im Konzept einschlossen sei, im gleichem Atemzug folgte die Aufzählung von Alleinstellungsmerkmalen, durch die sich das betreffende Konzept mit seinen Deckungserweiterungen auszeichne. Die Frage, ob denn nun Schäden am Objekt versichert seien, wurde jedoch nicht konkret mit ja oder nein beantwortet. Stattdessen wurde uns formelhaft mitgeteilt, dass wir „schon beim Branchenprimus gelandet seien“ und das angebotene Konzept „einen umfänglichen Schutz für alle Arten der Haftung aus der beruflichen Tätigkeit als Energieberater“ aufweise. Der Makler bewarb sein Produkt mit dem Hinweis, es sei „tatsächlich das beste Konzept am Markt“.

Ein Gebrauch von Superlativen, sollte immer sehr aufmerksam machen, impliziert er doch die Bereitschaft des Versicherers, sich äußerst viel Haftung aufzuladen. Wir konfrontierten den Makler damit, dass der seinem Konzept zugrundeliegende Versicherer abstreitet, eine Objektschadensdeckung in dem Produkt zu besichern. O-Ton des Anbieters dazu: „Nein, dies ist umfänglich versichert, wir haben sogar folgende Erneuerungen […] und es sei Ihnen gesagt: Es zählt nur das Maklerkonzept und nicht die Aussage des Versicherers.“ Auch auf unsere nochmaligen Rückfragen wurde im Laufe des Telefonates diese Frage immer wieder in ähnlicher Form beantwortet: es sei alles versichert. Der Haken dabei war jedoch, dass man diese Zusage schriftlich nur über die Police erhalten würde. Auf den Hinweis, dass dies den gesetzlichen Auflagen der InfoV widerspräche, verzichteten wir.

Wir verständigten uns mit dem Makler darauf, dass wir der Form halber unsere Fragen noch einmal schriftlich stellen und baten ihn in diesem Zusammenhang zur Übersendung der BBR oder einer Stellungnahme über die betreffende Leistungsart. Bislang konnten wir diese nicht mit den uns vom Versicherer direkt übersandten Unterlagen abgleichen, denn der Makler war bis heute zu keiner weiteren Aussage bereit. Auf die Unterlagen warten wir noch immer.

Mangelnde Sorgfalt und Passgenauigkeit

Bereits vor diesem Telefonat stellten wir uns die Frage, wie es nur sein kann, dass nur einer der Befragen sofort wusste, dass sich die Erweiterung um die Personen- und Sachschadendeckung nicht auf den Berufshaftpflichtteil bezieht, sondern dass der Vermögensschadendeckung nur eine Betriebshaftpflicht als Annexdeckung hinzugestellt wurde und sich die Deckungssummen für Personen- und Sachschäden lediglich auf diesen Teil aber nicht auf die Berufshaftpflicht (VH) beziehen.

Es gibt nur eine Erklärung. Anscheinend lässt man sich auf Anbieterseite unter dem Einfluss des ganzen Enthusiasmus, ein neues Produkt für die eigens akquirierte Zielgruppe kreieren zu wollen, von dem Teilerfolg lenken, relativ schnell ein Deckungskonzept (Fachjargon für Versicherungsprodukt mit Deckungserweiterungen) fertiggestellt zu haben, ohne darüber hinaus einen Anlass zu sehen, insbesondere zwei Merkmale in Frage zu stellen: Wieso können eigentlich viel mehr Anbieter im Versicherungsmarkt den Zugang zu einem solchen Produkt ermöglichen, als es Anbieter für Berufshaftpflicht von Architekten und Ingenieuren gibt? Und warum sind dann noch die Beiträge billiger, als es bei der Berufshaftpflicht für technisch wissenschaftliche Berufe der Fall ist?

Einige Fachleute müssen sich hier sicherlich den Vorwurf mangelnder Sorgfalt gefallen lassen. In schwerwiegenden Fällen ist die Darbietung im Internet sogar ein Fall für die Versicherungsaufsicht der BaFin. Dies ist darin begründet, dass den möglichen Antragstellern nicht die Risiken und Deckungslücken aufzeigt werden, aber umgekehrt ein umfänglicher Schutz suggeriert wird, der faktisch gar nicht in der Form gegeben ist. Andererseits muss man aber auch einen Teil der Makler und Versicherungsvertreter in Schutz nehmen. Sofern die Berufshaftpflicht für technische Berufe nicht ihr Kerngeschäft ist, wird ihnen von den Gesellschaften anscheinend auch nicht genug Material zur Verfügung gestellt, damit ihnen die Problemstellung bewusst ist.

Um unseren Verdacht, was den Grund der widersprüchlichen Aussagen und nicht bedarfsgerechten Versicherungsangebote betrifft, genauer zu prüfen, machten wir einen dritten Anlauf bei den Versicherungen. Nun wollten wir wissen, wie das jeweilige Produkt entstanden ist und wie man mit der Haftung des Versicherungsnehmers umgeht.

Die Anbieter, die neben der Vermögensschadenshaftpflicht für Sachverständige oder Energieberater auch vollwertige Berufshaftpflichtversicherungen für Architekten und Ingenieure anbieten, verwiesen darauf, dass die Berufshaftpflicht (Architekten-/Ingenieurhaftpflicht) die grundsätzlich richtige und umfassende Lösung sei. Das VH-basierte Produkt sei nur kreiert worden, um dem Nichtingenieur, der z.B. nur Energiepässe erstellen will, eine Deckung zu bieten. Eine andere Versicherungsform stünde ihm nicht zur Verfügung, weil er mangels Hochschulabschluss oder anderer hinreichender Akkreditierung keinen Zugang zur Berufshaftpflicht für Ingenieure erlangen könnte.

Die Versicherer erklärten weiter, dass die Energieberaterhaftpflicht, die ursprünglich nur auf die Erstellung der Energiepässe oder eine geringfügigen Energiesparberatung vor Ort abzielte, dann auf vermehrte Anfragen von Vermittlern verstärkt ausgeweitet wurde, bis sie die aktuelle Form einer Vermögensschadenshaftpflicht für Energieberater mit Betriebshaftpflicht annahm, die optionale Einschlüsse wie Schimmel, Gutachten, Empfehlungen etc. ermöglichte. Auf die Rückfrage, ob es schon Erfahrungen mit Schadensfällen gäbe, erhielten wir eine negative Antwort. Uns wurde erklärt, dass es bisher zu wenige Fälle gäbe, um daraus Genaueres abzuleiten. Dies wurde damit begründet, dass es den Energieberater noch nicht solange gäbe und der Großteil der Versicherungsnehmer das fragliche Schadenspektrum in Ihrer Ingenieursdeckung mitversichert hätten.

Interessanterweise gibt es also noch keine einschlägigen Erfahrungen in den Schadensabteilungen, inwieweit ein Nichterreichen bestimmter Energiewerte nicht in einem Sowiesoschaden oder in einer fehlerhafte Mengen-Massenberechnung wurzelt bzw. ob es sich sogar um eine Erfüllungssurrogat handele. Die Versicherer machten aber deutlich, dass es sich ihrer Meinung nach bei den Fällen um nicht versicherte Umstände handele. Dabei wurde auch deutlich gemacht, dass man auf Versichererseite im Zweifelsfall sogar zugestehen müsse, ggf. die ersten Fälle vor Gericht klären zu lassen, um zu erkennen, an welchen Stellen der Versicherer eintrittspflichtig sei und wo Nachbesserungsbedarf bestünde. Insgesamt vermittelten die Versicherer ihre Auffassung aber sehr klar. Man wies ausdrücklich daraufhin, dass das VH-basierte Konzept maximal für die Erstellung von Energiepässen und Vor-Ort-Beratungen geeignet sei. Jede andere Leistung, die in Richtung einer Sachverständigenleistung ginge – und darunter fällt auch die Empfehlung bestimmter Maßnahmen oder die Erstellung eines Gutachtens – sei mit dieser Versicherungsform nicht ausreichend versichert.

Der Vollständigkeit halber sei noch ein weiterer Fall dieser Recherche erwähnt. Die übrigen Versicherungsgesellschaften, die nicht im Ingenieursegment aktiv vertreten sind, aber Vermögensschadendeckungen anbieten, haben sich darauf zurückgezogen, dass tatsächlich die Objektschadensdeckung ein Problem sei, aber auch versichert werden könnte. Parallel zur Anforderung von Angeboten haben wir uns daher Angebote mit der Tarifsoftware der Anbieter erstellen lassen. In zwei Fällen kommen nicht alle notwenigen Dokumente aus der Maschine. Somit ist durchaus denkbar, dass bei über 33 Seiten Antrag und Bedingungen zuzüglich Beratungsdokumentation ein Vermittler mangels genauerer Prüfung, d.h. wenn er die Unterlagen nicht noch einmal durchsieht, davon ausgeht, die Unterlagen seien vollständig. Auch hier besteht also Nachbesserungsbedarf seitens des Versicherers. Dennoch kann man aber auch den Vermittler nicht von der nötigen Sorgfalt freisprechen.

Es gibt geeignetere Versicherungsformen

Eine VH ist bis auf sehr wenige Ausnahmen für Angehörige technisch wissenschaftlicher Berufe ungeeignet, weil sie primär nur Vermögensschäden deckt. Der überwiegenden Anzahl an Ansprüchen geht aber ursächlich ein Sachschaden voraus. Festgehalten werden muss, dass unechte Vermögensschäden sowie Schäden, denen ein Personen- oder Sachschaden zugrunde liegt, nicht Leistungsgegenstand der allgemeinen Vermögensschadenhaftpflichtbedingungen sind. Zudem sei noch einmal darauf hingewiesen, dass Vermögensschäden bei Gutachten in der Regel selten vorkommen. Werden Deckungssummen für Personen- und Sachschäden genannt, ist es dringend geboten, genauestens zu analysieren, auf welchen Versicherungsteil sich diese beziehen.

Folgende Empfehlungen ergeben sich aus unserem Praxistest. Als einzig zum Risiko weitestgehend kongruenter Schutz kann derzeit nur eine vollwertige Berufshaftpflichtversicherung basierend auf den BBRarch empfohlen werden. Nichtingenieure haben nur die Möglichkeit an dieser Versicherungsform teilzunehmen, wenn Sie ein bestimmtes Akkreditierungsniveau nachweisen können. Hier sind die Dachorganisationen und Ausbildungsgesellschaften gefordert.

Für alle Übrigen ist es zielführend, sich einen sehr genauen Überblick über das eigene Haftungspotenzial zu verschaffen. Hier ist es geboten, eine Risiko- oder Haftungsanalyse durchzuführen. Ausgehend von einer solchen Analyse ist es dann sinnvoll, die Angebotspalette noch einmal intensiv durchzugehen. Dabei kann es sich auch herausstellen, dass es dann auch geboten ist, ggf. das eigene Leistungsangebot erneut zu überprüfen und unter Umständen genauer abzugrenzen.

 

Sofern Sie an einer Risikoanalyse interessiert sind, finden Sie hier weitere Informationen: